Dezember 2025
Mit dem Wind ...
… wieder einmal den Skulpturenpark in Katzow besucht. Der liegt nur wenige Kilometer von Wolgast entfernt. Das 24/7 zugängliche Ausstellungsgelände ist meine allerliebste „Outdoor-Kunstgalerie“. Regelmäßig schaue ich dort vorbei.
Zahlreiche skurrilen Exponate aus Metall und Holz, hergestellt von verschiedenen Künstlern aus aller Welt, bevölkern die 12 Hektar große Wiese. Die wenigsten lassen auf den ersten Blick erkennen, was sich der Künstler bei der Konzeption gedacht haben könnte. Viele der Figuren, die teilweise mehr als 10 Meter in den Himmel ragen, sind eher abstrakt gehalten und bieten reichlich Raum für Deutungsversuche der Galeriebesucher. Diese können, abhängig vom jeweiligen Betrachter, der Jahreszeit oder dem Blickwinkel, ganz unterschiedlich ausfallen. Das wird besonders dann deutlich, wenn man den Skulpturenpark als Gruppe besucht. Die Diskussionen vor den einzelnen Exponaten erreichen mühelos das Niveau der Interpretationsversuche beim alljährlichen Bleigießen an Silvester.
Es lohnt sich aber durchaus auch, ganz allein zu unterschiedlichen Tages- und Jahreszeiten auf der Wiese bei Katzow vorbeizuschauen. Denn immer wieder lassen sich neue Details entdecken, die man beim letzten Besuch nicht wahrgenommen hat. Ein richtiges Schlaraffenland für die Fantasie.
Diesmal, Anfang Dezember, zog mich – warum auch immer - ein riesiger Metallturm ganz hinten auf dem Gelände in seinen Bann. Der war mir bei meinen bisherigen Besuchen gar nicht aufgefallen. Der Künstler hat für diese Skulptur eine scheinbar unendliche Zahl von Metallplatten übereinandergestapelt, deren Größe mit zunehmender Höhe abnimmt. Ähnlich einer Turmschnecke windet sich das Gebilde in Richtung Himmel und entfaltet aus der Nähe eine ganz besondere Faszination.
Zunächst dachte ich an eine Karriereleiter. Ein steiler Weg, der immer schmaler wird. Ganz oben haben dann nur noch wenige Platz, und die Luft dort oben ja bekanntlich ganz schön dünn.
Dann allerdings platzte ein ganz anderer Gedanke dazwischen: Die Skulptur könnte doch auch sinnbildlich für das Jahr stehen. Schritt für Schritt erklimmen wir die einzelnen Platten. Jeden Tag eine neue. Und am Ende des Jahres, im Dezember, sind wir dann ganz oben angekommen und können auf das zurückblicken, was hinter uns liegt: Ein Jahr voller Erlebnisse, Begegnungen und Erfahrungen.
Und das neue Jahr? Wenn wir den Blick wenden, den Kopf in den Nacken legen und von der Spitze des Kunstwerks nach oben schauen, dann sehen wir nichts als den Himmel. Nachts vielleicht ein paar Sterne und die Sonne am Tag.
Was das neue Jahr wirklich bringen mag, lässt sich vielleicht tatsächlich aus den Sternen ablesen. Aber uns fehlt dazu leider ein kompetenter Übersetzer, sofern wir nicht eine wundertätige Glaskugel oder ein Orakel unser Eigen nennen können, beziehungsweise die Kunst des Kaffeesatzlesens beherrschen. Wir wissen nicht, was die Zukunft für uns bereithält, während das ausklingende Jahr stabil und glänzend wie poliertes Metall unabänderlich hinter uns liegt. Wie gern würden wir das ein oder andere noch geraderücken, verbessern oder einfach vergessen. Aber das geht nicht.
Woher dann aber – bei dieser betrüblichen Ausgangslage und ohne Glaskugel – die dringend benötigte Zuversicht für das neue Jahr nehmen? Den Lebensmut? Das Vertrauen darauf, dass sich auch im kommenden Jahr feste Stufen vor uns auftun, auf denen wir mutig voranschreiten können? Stufen, die Halt bieten und Sicherheit. Vielleicht doch ein Horoskop bemühen oder eine Wahrsagerin zu Rate ziehen.
Einen Moment der Ratlosigkeit hat es gedauert. Aber dann wurde mir schlagartig klar, was diese Skulptur wirklich symbolisierte: STAIRWAY TO HEAVEN! Die Treppe in den Himmel. Nicht der Blick nach unten, zurück auf das, was war, steht im Zentrum der Darstellung, sondern die unendliche Weite des Himmels, der nicht zuletzt aufgrund dieser Unendlichkeit für uns Christen Gott symbolisiert.
Verlieren Sie sich also am Ende dieses Jahres nicht in einem der zahlreichen offiziellen oder auch ihrem persönlichen Jahresrückblick. Was hinter uns liegt ist vorbei, gehört endgültig zu unserer Vergangenheit. Lassen Sie all den metallschweren Ballast hinter sich, und verschaffen Sie sich stattdessen eine freie Sicht nach oben. Das, was Sie dann sehen, ist nicht etwa NICHTS, sondern der Freiraum, den Ihnen die Zukunft bietet. Füllen Sie ihn im neuen Jahr! Mit Gottes Hilfe wird da eine Menge Gutes dabei herauskommen.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine frohe Weihnachtszeit, einen guten Jahreswechsel und weiterhin einen freien Blick auf das Wesentliche!